„Alarm! Baum auf der Schiene! Mehrere Verletzte nach Kollision mit einem Personen-Zug!“ Es sind wenige Worte, die jeden Feuerwehrkameraden in Unruhe versetzen dürften. Und so wunderte es nicht, dass am Donnerstagabend 37 von ihnen an die alte OHE-Trasse nahe der Reithalle in Wittingen ausrückten, um der Situation Herr zu werden.
Die alte OHE-Trasse und ein Personen-Zug? Nein, das konnte nicht sein – fährt hier doch seit Jahren keine Bahn mehr Menschen von A nach B. Wittingens Ortsbrandmeister Torsten Bötticher klärt auch auf: „Das ist ein Übungsdienst der Ortsfeuerwehr. Wir simulieren, wie wir verletzte Personen aus dem Zug herausbekommen können.“
Nachstellung mit Testpersonen
Was sich da am Donnerstagabend ereignet hat, war entsprechend eine Nachstellung. Mit allem, was dazu gehörte: Verletzte – selbstverständlich Freiwillige, die ihre körperliche und seelische Verwundung jeweils nur vorspielten –, ein umgestürzter Baum auf dem Gleisbett und Feuerwehrkräfte, die sich mächtig ins Zeug legten.
„Ich schwitze“, sagte da etwa eine Kameradin, während sie mit ihren Kollegen eine „lädierte“ Person auf einer Trage aus dem Zug herausschleppte.
Dieser Zug – es war ein Erixx, der aus Richtung Celle anfuhr und dann unweit des Tennisplatzes zum Stehen kam. „Das Fahrzeug ist Teil unserer Betriebsreserve, wird also nicht dem Fahrbetrieb entnommen. Nach der Übung fährt er nach Uelzen zur Abstellung und wird später auch wieder Personen transportieren“, erklärte Erixx-Sprecher Simon Märtens die Hintergründe.
Er war gemeinsam mit Uwe Schmidt von der SinON GmbH (sie hat 2022 das Streckennetz von der OHE übernommen) vor Ort, um die Feuerwehrkräfte zu unterstützen und bei etwaigen Fragen Hilfestellungen zu geben.
Und zu erklären, dass der Erixx über einen eigenen Notdienst verfügt, der 24 Stunden, sieben Tage die Woche erreichbar ist. Märtens: „Er kommt mit Sonderrechten an den Einsatzort – wenn nötig sogar mit Martinshorn. Die Kollegen sind Ansprechpartner für die Wehr. Sie sagen, wie in einer Notsituation evakuiert werden soll.“
Außerdem könne das Zugpersonal erste Hilfe leisten, zumal es regelmäßig Kurse für die Angestellten gibt, wie der Sprecher erläutert.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Personal und den Feuerwehrkräften sei überdies sehr bedeutend, weil erstere wichtige Informationen weitergeben, welche die Feuerwehr sonst nicht hätte: „Sind Rollstuhlfahrer an Bord? Ist Öl oder Treibstoff ausgelaufen? Solche Situationen können auftreten, und insofern sind wir bei Erixx gerne bereit, die Übungen mit zu organisieren.“
Dass eine solche nun in Wittingen stattfand, sei auf Mitarbeiter zurückzuführen, die selbst Mitglied bei der Feuerwehr sind. „Sie haben bei uns angefragt. Deshalb kam der Termin zustande.“
Und es war eine Zusammenkunft, die die Einsatzkräfte forderte. Ein teilweise dicht bewachsenes Gleisbett und Schottersteine am Streckenrand machten das Laufen zu einem Balance-Akt; überdies kam so mancher Kamerad ins Keuchen – die Juli-Wärme in Kombination mit der Tätigkeit als Krankentransporteur tat ihr Übriges.
Auch gutes Zureden war gefragt, nachdem sich herausstellte, dass Fahrgäste nach dem Unfall in eine mentale Ausnahmesituation gerieten. Ortsbrandmeister Torsten Bötticher ordnete ein: „In einer Realsituation wären noch weitere Ortsfeuerwehren und das DRK dabei. Wobei pro verletzter Person ein Rettungswagen abgestellt wird. Sind zu viele Menschen verletzt, dann würden in der näheren Umgebung Zelte aufgebaut werden.“
Das war zum Glück nicht nötig. Entsprechend bleibt es zunächst mal auch nur Theorie, wie lang der Bremsweg des Zuges wäre, sofern tatsächlich ein Baum auf dem Gleis liegen würde.
Uwe Schmidt von der SinON GmbH erklärte in diesem Zusammenhang, dass dies von mehreren Faktoren abhänge, etwa dem Gefälle der Strecke oder dem Gewicht, mit dem der Zug unterwegs ist. Durchschnittswert für eine Bremsung aus vergleichbaren Situationen seien etwa 400 Meter. „Darauf stehen auch die Signale.“
Dass sie beim Erixx für Übungen nach Wittinger Vorbild offen sind, darauf wies Sprecher Märtens am Ende hin: „Es kommt regelmäßig vor, dass uns Feuerwehren auf dem Betriebsgelände in Uelzen besuchen, auch die Bundes- und Landespolizei hat schon daran teilgenommen.“ Interessierten Wehren legte er nahe, Kontakt mit dem Unternehmen aufzunehmen.
Quelle /Text: AZ-Online.de / Pascal Patrick Pfaff